Stellungnahme zum Expertengespräch der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages -
Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie Arbeitsgruppe Recht

am 23. September 2003
Reinhard Birner, Amberg


Zunächst einmal dürfen wir uns an dieser Stelle nochmals bei den verantwortlichen Parlamentariern bedanken, die uns anlässlich des geplanten Expertengespräches die Möglichkeit zu einer eigenen Stellungnahme eröffnen. Wir freuen uns, dass mit dieser Einladung die Anhörung der Betroffenen durch die CDU/CSU-Fraktion auf den Kreis nicht-sorgeberechtigter Eltern sowie vom Sorgerecht und Umgang ausgeblendeter Elternteile (insbesondere der hier zu einem Großteil betroffenen Väter) ausgeweitet wird, somit auch die "Kehrseite der Medaille" zu Wort kommen kann. Nach den nunmehr vorliegenden Auswertungen der aktuellen Studien von Prof. Dr. Proksch und Prof. Dr. Amendt lassen sich die Defizite in diesem Bereich nun auch empirisch belegen.


Die Interessensvertretung der Trennungsväter e.V. sieht eines ihrer Hauptziele in der Gleichstellung der unehelichen mit den ehelichen Kindern. Nicht im Ehevertrag, der über die Bedürfnisse der Kinder hinausgeht, sondern in der Vaterschaftsanerkennung und den hieraus sich ergebenden Rechtsfolgen sehen wir eine ausreichende Bekundung und Verpflichtung, Sorge für die Kinder zu tragen. Eine darüber hinausgehende vertragliche Grundlage, sei es in ehelicher Form oder durch Abgabe einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung für nicht-eheliche Kinder, halten wir für nicht zwingend erforderlich, da sie kein Mehr an Sicherheit impliziert, wie auch die seit Jahren steigenden Scheidungszahlen belegen. Vielmehr liegt es an beiden Elternteilen selbst, wie fruchtbar und positiv sich ihr gemeinsamer Erziehungs- und Lebensgestaltungsauftrag für ihr Kind auswirkt.

Eltern mit gemeinsamer Sorge sind grundsätzlich zufriedener als Eltern mit alleiniger Sorge. So weist auch Prof. Proksch darauf hin, das die Defizite von Eltern ohne gemeinsame Sorge in ihrer Kooperation und Kommunikation voll zu Lasten ihrer Kinder durchschlagen, was vor allem zu hochstrittigen Umgangskonflikten führt (Proksch-Studie, Schlussbericht März 2002, Teil V, S. 7). Postuliert die Kindschaftsrechtreform von 1998 das gemeinsame Sorgerecht für eheliche Kinder als Regelfall, so muss dieses in gleicher Weise auch für nicht-eheliche Kinder gelten.

Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts (die oft genug im Widerspruch zu Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stehen, vgl. hierzu u. a. die Urteile vom EUGhM 30943/96 und 31871/96 vom Juli 2003) blenden den Vater aus der Lebensrealität des Kindes aus. Auf der wackeligen Grundlage eines Kindeswohls auf der Basis eines anachronistischen naturgegebenen Muttervorrangs wird dieser Autonomie in der Lebensgestaltung mit dem Kind eingeräumt, auch was dessen Bindung zum Vater angeht.

Nachbesserungsbedarf sehen wir weiterhin im Hinblick auf die Durchsetzung eigener Umgangsrechte der Kinder. Das Recht des Kindes auf beide Elternteile muss zur Maxime (gerade bei Konfliktfällen auf der Paarebene) im Kindschaftsrecht erhoben werden - nur so kann und wird ein höheres Maß an Gerechtigkeit und Gleichberechtigung erreicht werden können. Dieser Lösungsansatz mindert einerseits die vorhandenen Defizite zu Lasten des (meist auf den Umgang eingeschränkten) Elternteils, nimmt andererseits aber ebenso den umgangsdesinteressierten Teil in die Pflicht und schwächt so von vornherein die derzeit bestehenden Konfliktpotentiale wesentlich ab.

Nicht zuletzt sollte auch das Recht der Kinder auf den Umgang mit Großeltern, anderen Verwandten und Personen, die maßgeblichen Anteil an ihrer Entwicklung hatten, als eigenes Recht des Kindes fixiert werden.

Die gegenwärtige Beteiligung der Hauptbetroffenen ist völlig unzureichend gelöst. Kinder müssen über neutrale Fachleute wesentlich stärker in die Umgangsregelungen eingebunden werden. Dabei sind wir uns durchaus bewusst, dass eine aktive Beteiligung stark von Alter und persönlicher Reife abhängig ist. Eine weitere Problematik stellt die oftmals vorhandene Instrumentalisierung des Kindes durch ein Elternteil dar. Nur eine langfristige Begleitung durch neutrale Fachleute kann eine sinnvolle Einbindung gewährleisten. Eine erheblich stärkere Einbindung der Kinder - und damit ihrer Gefühle, Gewohnheiten und Lebenssituationen - hätte zugleich den positiven Effekt, Umgangsregelungen flexibler handhaben zu müssen und somit am eigentlichen Wohl des Kindes festgemacht zu haben.

Für den Fall einer Nicht-Einigung muss im Interesse des Kindeswohles eine Pflichtberatung aufgesucht werden. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die gängige und allgemein anerkannte Praxis einer Zwangsberatung vor Schwangerschaftsabbruch - auch diese soll dem Wohl des Kindes dienen. Die Tatsache, dass die Verweigerung eines gerichtlich festgelegten Umgangsrechtes nach wie vor keine Konsequenzen zeitigt, ist ein nicht hinzunehmender Missstand, der ohne Parallele in der Rechtslandschaft steht. Deswegen fordern wir die verpflichtende Anwendung unmittelbarer Sanktionen, die sich von Geldstrafen bis hin zum Entzug des Sorgerechts erstrecken müssen. Beispielhaft seien hier Staaten wie Frankreich, Belgien, USA genannt.

Grundsätzlich sollten Kinder bezüglich ihrer Entscheidungen niemals zwischen Vater und Mutter wählen müssen. In der Praxis bedeutet dies, dass Kinder mittels erfahrener unabhängiger Fachleute an sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden. Während ältere Kinder dies selbst tun können, sollte diese Aufgabe für jüngere ein "Anwalt des Kindes" (Verfahrenspfleger) übernehmen. Die Qualifikation des seit 1998 hierfür vorgesehenen Verfahrenspflegers ist nicht zwingend festgelegt und erfordert eine verbindliche Konkretisierung.

Natürlich ist ein eigenes Antragsrecht in Bezug auf Umgang als auch der verfahrensrechtliche Anspruch auf einen eigenen Anwalt für die betroffenen Kinder begrüßens- und wünschenswert. Für die Praxis jedoch sehen wir kaum Ansatzmöglichkeiten, ein derartiges Recht sinnvoll zu verwirklichen.

Die Erfahrungen bezüglich des gemeinsamen oder alleinigen Sorgerechts hinsichtlich der praktischen Umsetzung im Konfliktfall sind durchwegs negativ. Der überwiegend betreuende Elternteil bestimmt allein den Aufenthaltsort des Kindes und kann dadurch zuerst den Umgang, dann die Sorge des anderen Elternteils zu Fall bringen. Entscheidungen von erheblicher Bedeutung werden oftmals selbst bei gemeinsamem Sorgerecht vom betreuenden Elternteil alleine und ohne vorausgegangene Absprache oder Information getroffen. In Großbritannien beispielsweise hat auch ein Elternteil ohne Sorgerecht ein Mitspracherecht bei Ausbildungsfragen oder anderen wichtigen Entscheidungen wie etwa bevorstehenden Operationen. Ähnliches muss auch für die Bundesrepublik Deutschland gelten. Darüber hinausgehend verweisen wir nochmals auf die positiven konfliktmindernden Auswirkungen der gemeinsamen elterlichen Sorge. Regelungen für eine untergeordnete "Alltagssorge" halten wir für nicht förderlich und überflüssig.

Einen grundsätzlichen Umgangsauschluss im Falle vorausgegangener Gewalttätigkeiten zwischen den Eltern halten wir für sehr bedenklich. Zum einen stellt sich hier die Frage nach der Definition des Gewaltbegriffs, zum anderen wird in den allermeisten Fällen im akuten Trennungsgeschehen Gewalt in mindestens psychischer Form von beiden Seiten empfunden werden.

Ein begleiteter Umgang wird von den betroffenen Vätern durchgehend als diskriminierend und menschenunwürdig empfunden. Als besonders problematisch stellen sich hierbei die unter "Aufsicht" des Jugendamtes stattfindenden Treffen von Kind und Vater dar (nach unseren Erfahrungen sind nahezu ausschließlich Väter betroffen). Im Falle eines begleiteten Umgangs, den wir nur in Ausnahmefällen indiziert sehen, sollte dieser nur von neutralen erfahrenen Fachleuten (wie etwa Kinderpsychotherapeuten) betreut werden. Auch über eine Änderung der Rahmenbedingungen (Ort, Häufigkeit) muss dringend nachgedacht werden.

Wir schließen uns der von Frau Bundesjustizministerin Zypris erhobenen Forderung nach einer Fortbildungspflicht für alle Richter an, die wir gerade in diesem sensiblen Bereich für dringend geboten halten. Den für Kinder zumeist belastenden Rahmenbedingungen bei Anhörungen, etwa der Ort eines Gerichtssaals, sollte durch eine größere Flexibilität des Richters begegnet werden. Ebenso kann sich eine längere Begleitung des Kindes in der Trennungsphase durch Fachleute als förderlich erweisen.

Als ein zentrales Problem stellt sich der Personalmangel in den befassten Institutionen und die dadurch bedingten zeitlichen Verzögerungen in Verfahrensabläufen dar. Ein höherer Etat insbesondere bei Beratungsstellen (hier meinen wir nicht nur die Jugendämter) und damit mehr Kapazitäten wird konkrete positive Auswirkungen nach sich ziehen.

Hinterfragt werden muss der aus unserer Sicht falsche Ansatz, was die Überhöhung der Mutterrolle in den genannten Institutionen betrifft. Die Maxime allen Tuns muss stets das Kind und dessen Wohlergehen sein, und nicht etwa die Autonomie der Mütter in deren Lebensgestaltung.

Was die Jugendämter angeht, so werden diese nicht selten von beiden Seiten als überfordert und desinteressiert erlebt; das Kind wird zum Objekt, der "Fall" zur Nummer. Gerade Väter empfinden darüber hinaus, dass eine Parteilichkeit zu Gunsten der Mutter vorliege. Mehr und besser qualifiziertes Personal scheint uns eine geeignete Möglichkeit zu sein, diese Defizite zu beheben.

Ähnlich stellt sich die Situation in den Familiengerichten dar. Richter überlassen mangels ausreichender Qualifikation und Fortbildung so weitreichende und gravierende Entscheidungen wie Sorge- und Umgangsrechtsbeschlüsse im Grunde eher den vermeintlichen "Profis" vom Jugendamt oder anderen Gutachtern und schließen sich diesen ungefragt an, anstatt eigene Entscheidungen zu treffen. Im Vordergrund stehen Richtlinien und gesetzliche Vorgaben, die aber nur in den seltensten Fällen zum Wohl des Kindes genutzt werden.

An die Rechtsanwälte kann hier unsererseits nur appelliert werden, das Wohl des Kindes nie aus den Augen zu verlieren. Zu oft geht es einzig und allein darum, seiner Mandantschaft mit allen Mitteln "zum Sieg" zu verhelfen - die Belange des Kindes bleiben hier wie auch in der restlichen "Helferindustrie" auf der Strecke.



Trennungsväter e.V.
22.09.2003