Wenn du nicht blechen willst... ... hättest du nicht Vater werden dürfen

Die eine Seite der Medaille

Wenn ein Ehemann und Vater Knall auf Fall seine Frau verlässt, sich mit der Geliebten eine eigene Wohnung nimmt und die Mutter mit den gemeinsamen Kindergarten- bzw. Schulkindern von heute auf morgen alleine zurück lässt, ist er ein Schwein und gehört bestraft. Punktum.

Die andere Seite der Medaille

Wenn eine Hausfrau und Mutter Knall auf Fall ihren Mann verlässt, sich mit dem Liebhaber eine eigene Wohnung nimmt und den berufstätigen Vater und Alleinverdiener mit den gemeinsamen Kindergarten- bzw. Schulkindern von heute auf morgen alleine zurücklässt, erscheint das ganz und gar unmöglich. Punktum.

Scheidung? Niemals!

Solange ein Mann minderjährige Kinder hat, dann sollte er an so etwas nicht einmal denken.

Und was, wenn doch?

Um als Mann irgendwann einmal wieder ein menschenwürdiges Dasein führen zu können, heißt das: Das Problem muss an der Wurzel gepackt werden. Und das bedeutet Trennung. Wenn dieser Mann allerdings gleichzeitig Vater bleiben will, bedeutet das Krieg.

In der Regel spielt sich dieser Kampf in Gefilden ab, zu denen nur Rechtsanwälte den Zutritt haben. Während ein Vater lediglich der Statist ist. Aber Vorsicht! Genau ab dem Zeitpunkt, an dem er die gemeinsame Ehewohnung verlassen hat, die Scheidung vollzogen und das Mobiliar verteilt ist, Zugewinne übertragen, Rentenansprüche bestimmt und der Ehegattenunterhalt festgelegt wurde – genau ab diesem Zeitpunkt ist er das Sorgerecht praktisch los. Auch wenn er es sich laut Gerichtsurteil mit der Mutter teilt. Das ist nämlich nur theoretisch.

Zugegeben, Jugendamt und Richter bewilligen ihm ein – nach deren Dafürhalten überaus großzügiges – Besuchsrecht. Für gewöhnlich alle zwei Wochen von Samstagmittag bis Sonntagabend. Aber auch nur, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Wenn das ganze Gerichtsverfahren abgeschlossen ist, darf sich der Vater niemals auch nur den kleinsten Schnitzer erlauben. Damit Sie wissen, was von einem geschiedenen Vater erwartet wird, habe ich Ihnen die wichtigsten Verhaltensdekrete einmal zusammengestellt.

  1. Achten Sie penibel darauf, dass der monatliche Kindesunterhalt rechtzeitig das mütterliche Konto erreicht. Dazu müssen Sie schon im Vorfeld erahnen, wann Ihre Exfrau ihre Bankverbindung zu wechseln gedenkt. Falls nicht, werden Sie zum Jugendamt zitiert. Oder Sie bekommen Besuch vom Gerichtsvollzieher. Auch die alberne Ausrede „Ich wusste ja nichts davon“ zieht nicht. Wenn Sie nicht zahlen wollen, hätten Sie nicht Vater werden dürfen.

    1. Legen Sie sich eine Liste von Notärzten an. Erfahrungsgemäß werden ihre Kinder nämlich immer nur bei Ihnen – an den Wochenenden und im 14tägigen Rhythmus –

    2. krank. Daran ist immer der Vater schuld. Bei Schnupfen haben Sie das Kind wieder mal nicht ordentlich zugedeckt. Bei Hautausschlag liegt’s an Ihrer heruntergekommenen Wohnung. Bei Masern haben Sie nicht auf die schriftlichen Warnungen des Kindergartens reagiert (von denen Sie allerdings nichts wussten, weil solche Mitteilungen von den Erzieherinnen automatisch wie gedankenlos nur den Müttern in die Hand gedrückt werden. Und die dürfen schließlich auch mal was vergessen – zum Beispiel den Vater darüber zu informieren.). Hoffen Sie, dass keines Ihrer Kinder von einer Schaukel fällt. Sonst schreibt Ihnen das Jugendamt im Namen der Mutter einen bösen Brief wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.
  2. Versäumen Sie niemals einen der festgesetzten Besuchstermine. Auch dann nicht, wenn Sie selbst erkrankt sind. Das ist nicht das Problem Ihrer Ehemaligen. Die hat nämlich an ihrem freien Wochenende immer "Unaufschiebbares" vor. Zeitabsprachen soll das Jugendamt regeln. Aber eigentlich sieht sie dafür überhaupt keinen Grund.

  3. Geben Sie Ihre Kinder nur in frischer Wäsche und gebadet zurück. Sonst macht das einen schlechten Eindruck auf die Mutter. Besonders dann, wenn Sie Raucher sind. Aber egal, ob Sie diesem Laster frönen oder nicht: Die Haare der Kinder sollten bei derÜbergabe frisch gewaschen, die Ohren gesäubert und die Fingernägel geschnitten sein. Die Mutter kann sich nicht immer selbst um alles kümmern.

  4. Bringen Sie ihre Kinder immer pünktlich zurück. Selbst wenn -eines Halsschmerzen bekommen hat und Sie noch schnell eine offene Apotheke suchen mussten... -Sie auf dem Weg zu ihr unverschuldet in einen Unfall verwickelt wurden – bei dem

Ihren Kindern gottlob nichts passiert ist... -Sie ein unvorhersehbarer Todesfall erschüttert...

... kein Argument dieser Welt hindert Ihre Frau am Gang zum Jugendamt, wenn sie nicht auf die Sekunde genau ihre Kinder endlich wieder in den Armen hält. Wobei das wiederum nicht so wörtlich zu nehmen ist.

Schmerzhaftester Dorn im Auge Ihrer Exfrau sind und bleiben allerdings die paar wenigen Stunden, in denen die Kinder bei Ihnen sind und sie keine Kontrolle darüber hat. Da sie das leider nun mal nicht ändern kann, flüchtet sie sich währenddessen in groteske Voreingenommenheiten. Sprechen Sie mit ihr deshalb niemals über Ihre eigenen Gefühle für die Kinder oder gar über Vaterliebe. Sonst kann es nämlich passieren, dass Sie plötzlich einen weiteren Prozess wegen Pädophilie am Bein haben. Und dann sind Sie nicht nur Ihren bislang guten Ruf, sondern auch Ihre Kinder für immer und ewig los. Das überleben Sie nur noch durch Auswandern. Wenn Sie bleiben, landen Sie unweigerlich vor einem Scharfrichter.

Wenn sich später herausstellt, dass sich Ihre Frau, die Anwältin und das Jugendamt in dieser Hinsicht getäuscht haben, bedeutet das für Sie jedoch nicht Amnestie. Schließlich hängen Ihnen immer noch die horrenden Unterhaltszahlungen an. Sei's drum, Kinder kosten eben Geld. Die geschiedene Gemahlin in vielen Fällen aber auch.

Bei der vollzieht sich binnen kürzester Zeit eine schier unglaubliche Metamorphose: Wusste sie in Ehetagen nicht einmal, was eine Miete beinhaltet, woraus sich die Telefonrechnung zusammensetzt oder wie man ein Kochrezept in die Praxis umsetzt, ist sie mit einem Mal sehr wohl in der Lage, eine höchst komplexe Düsseldorfer Tabelle ganzgenau zu verstehen. Und wehe, bei Ihren monatlichen Überweisungen fehlt auch nur ein Cent. Dann lässt sie Sie behördlicherseits verfolgen. Und bei Ihrem Arbeitgeber wird die Lohnpfändung veranlasst.

Immer vorausgesetzt, Sie sind ein Vater. Mütter in der gleichen Situation werden nicht so inquisitorisch gehetzt. Einem Mann dagegen wird erst einmal grundsätzlich neben erzieherischem Unvermögen auch Zahlungsunwilligkeit unterstellt. Und vermissen Sie in den pseudo-juristischen Ratgebern von Fernsehzeitschriften und Frauenblättchen etwa nicht solche Sorgerechtsurteile, die zur Abwechslung mal zugunsten des Erzeugers gefällt wurden?

Aber auch wenn es nicht so weit kommt: Wie auch immer Sie mit Ihren Kindern umgehen, was auch immer Sie mit ihnen unternehmen – es ist sowieso falsch. Und einer Sache können Sie sich ganz sicher sein: An jedem Sonntagabend, sobald die Kinder wieder bei der Mutter sind, beginnt für diese ein Kreuzverhör mit anschließender Attacke.

Hat euer Vater eine Freundin? Hat er in eurer Gegenwart geraucht? Was habt ihr gegessen? Hat er das Messer abgeleckt? Trinkt er Bier? Hat er sich mit einer Frau getroffen? Wen habt ihr besucht? Durftet ihr fernsehen? Was? Wie lange? Mit wem hat er telefoniert? Was habt ihr unternommen? War noch jemand dabei? Hat er euch auch mal was gekauft? Wann hat er euch ins Bett gebracht? Habt ihr euch vorher die Zähne geputzt? Ist er dann noch einmal weggegangen?

Die subtile Variante: Wieso gibt der euch nur so wenig Taschengeld? Richtet dem aus, dass der gefälligst selbst Badeklamotten kaufen soll, wenn der schon dauernd mit euch ins Schwimmbad will. – Was, du hast schon dein Seepferdchen? – Fragt den bei Gelegenheit mal, wie der das mit den Ferien zu regeln gedenkt, ich muss schließlich auch planen. Teilt dem mit, dass ich am nächsten Wochenende was Wichtiges vorhabe, da muss der euch halt nochmal nehmen. Ist mir doch egal, wenn der da arbeiten muss. Sagt dem, dass ich es nicht nötig habe, mich ewig nach ihm zu richten. Der ist doch nicht bei Trost!

Und was ist mit Ihnen? Wer tröstet Sie,

-wenn Ihnen jeden Sonntagabend ein dicker Kloß in den Hals steigt und die Augen

feucht werden? -wenn Sie trotzdem eine fröhliche Maske zur Schau tragen und bei der Rückgabe der

Kinder die unhaltbaren Vorwürfe und unverschämten Forderungen Ihrer Exfrau mit

Rücksicht auf die Kinder kommentarlos zur Kenntnis nehmen? -wenn Sie in Ihre verwaiste Wohnung zurückkehren, die Spielsachen zusammen

räumen und dann die innere Leere Sie zu zerreißen droht? -wenn Sie den letzten Tropfen Alkohol – ja, ja, schon klar, das bringt auch nichts – aus

der Flasche gepresst haben und sich danach in Fötusstellung auf Ihrem Bett

zusammenrollen? -wenn Sie sich am darauf folgenden Montagmorgen zum Arbeitsplatz quälen, wo Sie

wie gehabt Ihren Mann stehen müssen und Ihnen die lieben Kollegen erzählen, welch

schönes Wochenende sie im Kreise ihrer Familie verbracht haben?

Kampfansage

Seien Sie sich dessen gewiss: Höchstwahrscheinlich wird sich alles so zutragen, wie Sie es bisher gelesen haben. Nur noch schlimmer. Der Unterschied ist allerdings, dass Sie an dem Hergang nunmehr offensiv beteiligt sind und wenigstens ab und an gegenüber Ihrer Exfrau frohlocken können.

Versuchen Sie aber gar nicht erst, sich mit der Mutter auf einer privaten Basis zu einigen. Später wird Ihnen jedes Ihrer Worte im Mund herumgedreht. Und allerspätestens vor Gericht haben solche Gespräche nie stattgefunden. Deshalb:

Alles steht und fällt mit der richtigen Wahl Ihres Anwaltes. Ideal ist eine Fachanwältin mittleren Alters ohne eigene Kinder. Oder ein männlicher Advokat, der das alles selbst schon erlebt hat. Wie auch immer, für beide gilt gleichermaßen: Lassen Sie sich niemals die Fäden aus der Hand nehmen. Beharren Sie darauf, jeden Schriftsatz an die Gegenseite vorab zu genehmigen. Lesen Sie jedes Wort und streichen Sie unklare Formulierungen. Überprüfen Sie sämtliche Datums-, Zeit- und Namensangaben. Eine nachträgliche Korrektur in der Gerichtsakte zieht immense Zeitverzögerungen nach sich – oder ist gar unmöglich.

Noch eines: Lassen Sie sich nie, nie, nie zu Emotionen hinreißen – weder in Ihren Schriftsätzen noch in den stattfindenden Gerichtsverhandlungen. Schmutzige Wäsche waschen betrachtet die Ehefrau und Mutter sowieso ausschließlich als ihre eigene Angelegenheit. Seien Sie getrost: Den Richter (oder die Richterin) interessiert das nicht die Bohne. Die haben ihre Paragraphen und damit ist es gut. Allerdings gestehen sie einer Mutter schon eher mal eine gewisse Redezeit zu, in der diese ihren Tränen und Hasstiraden freien Lauf lassen darf. Denn – wer weiß? – vielleicht bewirkt’s ja doch was. Aber seien Sie gewappnet, dass man Sie während des ganzen Verfahrens ohnehin in die Enge zu treiben versucht. Warum verzichten Sie nicht freiwillig auf Ihre Kinder?

Sie werden sich wundern, womit Sie von Ihrer eigenen Frau, die Sie zu kennen glaubten, und deren Rechtsanwältin beschuldigt werden. Machen Sie sich darauf gefasst, dass jedes in Ihrer Ehe gesprochene Wort gegen Sie verwendet werden kann. Sie werden mit Begebenheiten konfrontiert, an die Sie sich, da aus dem Kontext gerissen, nicht mal ansatzweise erinnern. Gleiches gilt für alles, was Sie je gegenüber Ihren Kindern äußerten.

Machen Sie ruhig schon mal eine Regalwand für Aktenordner leer. Bis zum endgültigen Urteilsspruch wird diese wieder aufgefüllt sein. Das liegt einerseits an der alten Juristenregel „Was nicht in den Akten steht, ist nicht auf dieser Welt“ und andererseits daran, dass Anwälte für jeden noch so kleinen Schriftsatz ungeheures Geld verlangen dürfen. Und das auch tun.

Zweifeln Sie auch nicht daran, dass Ihre Frau sich aus der großen Heerschar genau die Rechtsanwältin – "Bloß kein Mannsstück!" – herauspickt, die alles für ihre Mandantin tut und nichts, aber auch gar nichts unversucht lässt – abstrus hin oder her. Zumal, wenn das Verfahren einen hohen Streitwert hat, der ja die Grundlage ihrer eigenen Honorarforderungen bildet. Vielleicht wird aber auch nur die persönliche Vergangenheit verarbeitet. Dazu gehören dann ebenfalls die immensen Zeitverzögerungen, im Fachjargon auch Prozessverschleppung genannt. Machen Sie sich nichts vor, aus der Sache kommen Sie sowieso nicht mehr raus.

Worum geht es dann? Es geht darum, zu beweisen, dass geschiedene Väter zu weitmehr fähig sind, als Monat für Monat einen Überweisungsträger auszufüllen. Deshalb:

Halten Sie durch, egal wie! Bleiben Sie Ansprechpartner für Ihre Kinder! Denn nur durch Ihren väterlichen Kampfgeist konstituieren Sie die Grundlage dafür, dass diese in späteren Jahren nicht von Therapeut zu Therapeut laufen, um die verkorkste Kindheit aufzuarbeiten.

Wenn die Kinder irgendwann einmal aus dem Haus sind, offenen Auges und sensiblen Herzens mitten im Leben stehen und eventuell, als Krönchen sozusagen, eine glückliche Ehe führen, dann ist das maßgeblich Ihrer heutigen Unbeugsamkeit zu verdanken.

Und, was genauso bedeutsam ist: Sie selbst können sich täglich im Spiegel betrachten, ohne sich ohrfeigen zu wollen. Außerdem werden Sie all Ihre Freunde behalten und können sich derer moralischen Unterstützungen gewiss sein. Vielleicht machen Sie sich schon jetzt eine Vorstellung davon, wie wichtig das für Sie sein wird. Und falls Ihr Mut für eine Scheidung (noch) nicht ausreicht: In Vereinen wie diesem haben Sie zumindest die tröstliche Erkenntnis, dass es anderen Vätern ganz ähnlich geht. Sie sind nicht alleine.

© Elke Weyrach