SORGERECHT

Väter an die Front

Ist das Familienidyll geplatzt, beginnt der Streit ums Kind – deutsche Väter kämpfen um mehr Rechte

Günter Penzkofer war ein Vater, wie ihn sich viele Frauen wünschen: Nach der Geburt seiner Tochter Lea nahm der Beamte drei Jahre Erziehungsurlaub und kümmerte sich um das Kleinkind. 1998, nach 16 Jahren Ehe, verließ ihn seine Frau für eine neue Liebe und nahm Lea mit. In einer zehnminütigen Verhandlung sprach ein Gericht der Lehrerin das alleinige Sorgerecht zu.

Seit dem 28. Februar dieses Jahres darf Penzkofer vorerst überhaupt kein Vater mehr sein. Laut Beschluss des Amtsgerichts Regensburg wird das Umgangsrecht des 45-Jährigen „für die Dauer von zwei Jahren ausgesetzt“. Die Begründung lautet – wie üblich bei konfliktreichen Trennungen –, dass keine Einigung zwischen den Eltern möglich sei. Einmal im Jahr erhält Penzkofer eine Kopie von Leas Zeugnis und ein Foto seines Kindes – mehr bleibt ihm nicht.

. Der Casus Penzkofer ist traurige Normalität in Deutschland. Die Scheidungsrekorde führen zu immer mehr Dauerfehden um die Kinder. Hinzu kommen die nicht ehelichen Trennungsopfer. Mütter verwandeln sich nach dem Beziehungs-Aus oft zu Megären. Gesetzgebung und Rechtspraxis lassen es zu, die Erzeuger zu entsorgen – die Kinder sind die Leidtragenden.

Die Väter setzen sich jetzt zur Wehr. Für den 12. Dezember hat Schauspieler Mathieu Carrière eine internationale Konferenz in Berlin organisiert, bei der Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Justiz sowie Betroffene zum Thema „Zerrissene Familien im vereinten Europa“ diskutieren.

Carrière wettert gegen die angebliche Allmacht der Mütter: „Basierend auf dumpfen Vorurteilen wird das Kindeswohl ausschließlich mit der Mutter identifiziert. Elternschaft definiert sich aber nicht durch Eierstöcke, sondern durch Sorgefähigkeit..“ Er selbst habe seine Tochter ebenso gut gewickelt, ernährt und erzogen, reklamiert Carrière. Bis Richter ihm Umgangsrechte bei der inzwischen in Venedig lebenden Tochter Elena zugestanden hatten, sei er der „Willkür der Kindsmutter ausgesetzt und zum Zahlonkel degradiert“ gewesen.

Die Bilanz des Mimen ist bitter. Als lediger Vater sei er jahrelang von der Erziehung seiner Tochter ausgeschlossen gewesen, klagt Carrière. „Ich durfte kein normaler Papi für sie sein. Der Schaden ist nicht mehr wieder gut zumachen.“ Die herkömmliche Umgangsregelung degradiere Väter zu „Wochenendspaßpapis“, kritisierte der 53-Jährige und verlangt mehr Gleichberechtigung.

Auf der Berliner Konferenz will der prominente Vertreter der Vaterrechte Carrière für das umstrittene Wechselmodell werben. Dieses sieht vor, dass ein Kind wochen- oder drei- bis viertageweise zwischen Vater und Mutter pendelt.

„Sehr skeptisch“ beurteilt der Kinderpsychologe Uwe Jopt diese Variante. Der Bielefelder Professor warnt vor den „extremen seelischen Belastungen der Kinder“. Deren Loyalitätskonflikte führten in den schlimmsten Fällen zu totaler Ablehnung eines Elternteils – dem Parental Alienation Syndrome(PAS). Für Kleinkinder könne das Wechselmodell jedoch sinnvoll sein.

Trennungsopfer
Kinder leiden vielfach unter den Rosenkriegen.

• Zerrissen

Bei den 204 214 Scheidungen in 2002 waren in jedem zweiten Fall Kinder unter 18 Jahren betroffen.

• Entwurzelt
Ein Jahr nach der Trennung haben 50 Prozent der Väter keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern.

• Vaterlos
Schätzungsweise 2,5 Mio. minderjährige Kinder wachsen ohne Vater auf.

Der Bremer Arzt Wigand von Bremen hat seine Kinder, Philine und Samuel, seit Ende Februar nicht mehr gesehen. Seine Ex-Frau war nach der Scheidung, versehen mit dem alleinigen Sorgerecht, mit dem Nachwuchs in die Schweiz umgezogen. Im Sommer verhängte ein Bremer Gericht einen Umgangsausschluss, obwohl von Bremens neunjähriger Sohn Samuel bei seinem Vater leben wollte. Der 42-Jährige Internist klagt an: „Die Rechte der Kinder werden missachtet.“

Ledige Väter laufen noch größere Gefahr, ihre Kinder einzubüßen. Die Familiensache Mühlbauer versus Raab beschäftigt seit Jahren das Amtsgericht Regensburg. „Mit dem BGB unter dem Arm“ ringt der Hausverwalter Günter Mühlbauer, 45, um das Sorgerecht für seine Kinder. Im September erstritt er einen winzigen Fortschritt: Alle 14 Tage darf er sie 1,5 Stunden lang sehen.

Männer um Mühlbauer machen jetzt mobil. Der Verein Trennungsväter marschiert gen Straßburg. Die Väter wollen sich am 10. Dezember beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (ECHR) für eine wegweisende Entscheidung bedanken und damit insbesondere gegen die deutschen Gerichte protestieren. 2001 hatte der ECHR die Bundesrepublik zu Schadenersatz an zwei ausgebootete ledige Väter verurteilt.

Der Rückschlag kam im Januar. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bestätigte die Rechtslage, dass ledige Väter ein gemeinsames Sorgerecht nicht gegen den erklärten Willen der Mutter erzwingen können. Der Verband der allein erziehenden Mütter und Väter, der vor allem Mütter vertritt, jubelte. Es stärke die „Elternrechte der Mütter“, so VAMV-Chefin Edith Schwab.

In „Akten der Willkür“ entscheiden Familienrichter nach wie vor über die Köpfe der Kinder hinweg, bemängelt der Münchner Rechtsanwalt Peter Koeppel. Etliche Experten wie der Nürnberger Juraprofessor Roland Proksch beklagen, dass „zu wenig Druck auf die Eltern ausgeübt wird, sich zum Wohl der Kinder zu einigen“. Bei einer Umfrage für das Bundesfamilienministerium stellte Proksch fest: „Probleme treten vor allem auf, wenn ein Elternteil ausgeschlossen wird.“

Die Politik reagiert auf die Defizite in der Rechtsprechung. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag prüft den Spielraum für Gesetzesreformen. Maria Eichhorn (CSU), 55, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familie, plant für Januar eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Ihre Ziele: „Frühere Beteiligung der Kinder, mehr Fortbildung für die Richter, verbesserte Durchsetzung des Umgangs, Einigung auch in strittigen Fällen“.

Vorbild könnte der „Cochemer Weg“ sein. An der Mosel wird praktiziert, was bundesweit – ohne Gesetzesänderungen – zum Wohl der Kinder festgeschrieben werden könnte. In Cochem zwingt Familienrichter Jürgen Rudolph zerstrittene Eltern bei Belangen der Kinder zum Konsens.

Seine Erfolge machen Furore. Entscheidend sei, erklärt Rudolph, dass Gericht, Jugendamt und Anwälte an einem Strang ziehen. Gerichtstermine setzt er sehr schnell fest und schickt die Streitenden aus dem Verhandlungssaal direkt in eine Beratung. Rudolph: „Sie müssen sich einigen und tun das auch.“

Ulrike Plewnia, FOCUS 49/2003
01.12.2003



Trennungsväter e.V.
05.12.2003