Mit den Waffen einer Mutter

Im Streit um das Sorgerecht für Kinder haben Väter fast immer das Nachsehen

VON KIRSTEN MOSER

Väter, die um das Sorgerecht für ihre Kinder kämpfen, haben schlechte Karten. Laut Statistischem Bundesamt erhalten in München in 86 Prozent der Streitfälle die Mütter nach einer Scheidung vom Gericht das alleinige Sorgerecht. Obwohl die Eltern den gleichen Rechtsanspruch auf das Sorgerecht haben, bekommen es Väter in der Praxis in nicht einmal fünf Prozent der Fälle zugesprochen. Oft können sie, auch wenn eine gesetzliche Verfügung besteht, ihre Kinder nicht einmal zu Besuch sehen.

"Der Hauptgrund, warum das Sorgerecht meistens an die Mütter geht, liegt in der immer noch herkömmlichen Rollenverteilung in Ehen", glaubt Familienrichter Werner Schulz vom Amtsgericht München. Aber auch immer mehr Väter, die bereit sind, aus traditionellen Rollen zu schlüpfen, haben es schwer.

Diese Erfahrung musste Norbert N. aus Neuhausen machen. Am 2. Juli 2001 kam der 39-Jährige heim in die Familienwohnung. Frau und Kinder waren nicht mehr da. Sie waren von heute auf morgen ausgezogen. Auch die Scheidungspapiere und den Antrag auf das alleinige Sorgerecht hatte seine Ex-Frau eingereicht. In der Ehe habe es gekriselt, mehr sei nicht vorgefallen, sagt Norbert N. "Eigentlich war das Kindesentführung, aber bei Müttern wird das oft milder gehandhabt", sagt er rückblickend. Drei Tage später hatte ihn seine damalige Frau wegen sexueller Nötigung angezeigt. Vor einem Dreivierteljahr nahm sie den Vorwurf, der die Entscheidung über das Sorgerecht verzögerte, zurück. In etwa zwei Wochen soll nach über zweieinhalb Jahren Verhandlungsphase über die Zukunft der gemeinsamen Kinder entschieden werden.

Norbert N. hat seine drei Söhne (7, 12 und 16 Jahre alt) jetzt seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Dabei steht ihm gesetzlich jedes zweite Wochenende mit den Kindern zu. Zudem teilt er sich das Sorgerecht momentan noch mit seiner Ex-Frau.

Sein Anwalt Jürgen Arnold kennt die Methoden, die einige Mütter im Kampf um ihre Kinder einsetzen. "Die Mütter können den Wohnort wechseln, bei Besuchen die Tür nicht öffnen, den Vater bei den Kindern schlecht machen oder, im schlimmsten Fall, den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs als Waffe benutzen."

Richter Schulz sieht das Problem: "Natürlich haben die Väter auch Rechte wie Pflichten, aber das steht alles nur auf dem Papier", erklärt er. "Das ist die Ohnmacht eines jeden Familienrichters. Wenn eine Frau nicht will, kann man nichts machen."

Die Entwicklung bei unverheirateten Paaren zeigt, dass Väter immer häufiger die Vaterrolle wahrnehmen wollen: Die Reform des Kindschaftsrechts von 1998 räumt unverheirateten Vätern erstmals ein Sorgerecht ein. Seitdem sind die Anträge über eine Klärung des Sorgerechts bei unverheirateten Paaren um 80 Prozent angestiegen. Laut dem reformierten Kindschaftsrecht wird über das Sorgerecht nur entschieden, wenn ein Elternteil dies beantragt. Geschieht dies nicht, behalten Vater und Mutter das Sorgerecht gemeinsam.

Auch unverheiratete Väter können durch das Gesetz seit 1998 das alleinige Sorgerecht beantragen. Der Anspruch besteht aber nur, wenn die Mutter vor der Trennung einer Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge zugestimmt hat. Vätern, die kein Sorgerecht haben, steht ein Besuchsrecht zu, damit sie ihre Kinder wenigstens regelmäßig sehen können. Egal ob Sorgerecht oder Besuchsrecht: Die gesetzlichen Ansprüche der Väter sind in der Praxis schwer umsetzbar.

MÜNCHNER MERKUR
13.10.2003



Trennungsväter e.V.
15.10.2003