Radikalfeministin mit Frauenliebe, Frauenglück und Männerhass?

Anita Heiliger und ihre Meinung zu PAS !

„PAS„ - eine Fiktion mit schwerwiegenden familienrechtlichen Folgen


Anita Heiliger


Neuer Boden für Vaterrechte
Im Zuge der Forderung nach mehr Vaterschaft zur Einlösung von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und zur Entwicklung egalitärer Geschlechterrollen seit den 80er Jahren hat sich die Rede von der Notwendigkeit des Vaters für das Kind immer stärker verallgemeinert. Diese Rede ist nicht ausreichend durch Forschung belegt worden, die bisher deutlich macht, daß eine positive Bedeutung des Vaters an Bedingungen geknüpft ist und als generalisierte, quasi biologisch begründete, Behauptung falsch bleiben muß. Kenntnisse liegen dagegen u.a. aus der Alleinerziehendenforschung vor, die ergeben hat, daß Kinder in allererster Linie keine ideologisch besetzten Vater- oder Mutterfiguren brauchen, sondern Menschen, die sich ihnen positiv und verläßlich emotional zuwenden und sie verantwortlich versorgen (vgl. Heiliger 1991, Emmerl 2000). Quer zur gesellschaftlichen Entwicklung formierte sich eine neue Vaterrechtsbewegung, die in wachsenden Maße und mit rasch zunehmender Militanz (vgl. u.a. „radikale Väter„) mehr Rechte am Kind (zurück-) fordert und die Debatte um väterliche Beteiligung am Erziehungsalltag aushebelt zugunsten eines feindeseligen Kampfes gegen Mütter
Mit dem neuen Kindschaftsrecht, das die Rechte des Kindes auf Beziehung zu beiden Eltern stärken wollte, fühlen sich nun immer mehr Gerichte dazu veranlaßt, die Rechte des Vaters zu vertreten: wenn die Mutter dem Vater den Umgang mit dem Kind verweigert oder erschwert, Mutter und Kind zum Umgang mit dem Vater zu zwingen in der Annahme, daß „dies sowohl seinem Recht als Kindsvater als auch dem Wohl des Kindes entspricht„1. Dies geht u.U. soweit, die Mutter mit der Drohung unter Druck zu setzen, ihr könne das Sorgerecht entzogen und die Übersiedelung des Kindes zum Vater angeordnet werden, „auch wenn kaum eines der klassischen Sorgerechtskriterien in der Person des Vaters erfüllt ist“ (Pötz-Neuburger 1999, S. 152). Das Recht auf Umgang des Vaters mit dem Kind scheint hier als grundsätzliche Linie ohne Rücksicht auf bestehende Konflikte und auch ohne Rücksicht auf den Willen und den Schutz des Kindes, durchaus auch mit einer Umgangspflegschaft oder der letzten Konsequenz des Sorgerechtsentzugs für die Mutter durchgesetzt zu werden. „So werden die Umgangsrechte von Vätern selbst dann besonders betont, wenn Anlaß zur Besorgnis besteht“ (Jakob 1998, S. 101).
Zur Erfindung des „PAS„
Das sogenannte „PAS- Parental Alienation Syndrome„ ist ein Instrument, mit dem diese Praxis der Umgangs- oder Sorgerechte in zunehmendem Maße begründet werden. Es handelt sich hierbei um eine nach Deutschland importierte Erfindung des US-amerikanischen Kinderpsychiaters Gardner (1992). In den USA tobt der Kampf um Rechte an Kindern schon länger und härter als (bisher) in der BRD (vgl. Chesler 1986) und für nahezu jede Theorie und Praxis können aus den USA Ansätze bezogen werden in der Absicht, sie hier als erprobtes und gesichertes Wissen darzustellen. Dieses „Syndrom“ soll besagen, daß der betreuende Elternteil, in der Regel die Mutter, das Kind dem Vater durch negative Beeinflussung und Verweigerung des Umgangs entfremde. Es wird behauptet, dem Kind werde damit „die Grundvoraussetzung für die eigene gesunde Persönlichkeitsentwicklung entzogen“ (Fischer 1998, S.306) und es werde ihm „schwerer emotionaler Schaden“ (Ward u.a. 1998, S.238) und „seelische Kindeswohlgefährdung“ (Kodjoe/Koeppel 1998, S.24) zugefügt.
In den wenigen vorfindlichen Beiträgen zu den Thema wird implizit davon ausgegangen, daß das Kind
1Zitat aus einem Urteil aus dem Jahre 1996
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den Vater immer liebe, sonst habe die Mutter das Kind aus egoistischen Motiven und in verantwortungsloser Weise manipuliert, eine Ablehnung des Vaters durch das Kind könne es nicht geben und brauche auch gar nicht respektiert zu werden (s.u.). Eine enge Mutter-Kind-Beziehung wird als„pathogene Angstbindung ..., die im Gewand inniger Liebe, Besorgnis und Aufmerksamkeit für das Kind daherkommt“, abgewertet (Kodjoe/Koeppel 1998, S.14). Inakzeptable Positionen militanter Väter-organisationen statt fachlich angemessene Reflexionen spiegeln sich in diesen Auffassungen wider (vgl. Gerth 1998). So üben selbst Salzgeber und Stadler, die als Vorstand der GWG (Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie) eine Vielzahl von familienrechtlichen Gutachten zu verantworten haben, in denen die „PAS„-Theorie in z.T. haarsträubender Weise gegen Mutter und Kind umgesetzt wird (s.u.), hier Kritik: „sicherlich bedenklich für das Kindeswohl im Einzelfall (ist es), wenn das PAS nun im deutschen Sprachraum im anwaltlichen Schriftsatz bei Sorge- und Umgangsstreitigkeiten als Allheilmittel oder psychologisch verbrämte Keule auftaucht. Fast immer wendet sich diese Keule gegen Verhalten der Mutter als der Ursache von PAS, wenn es Probleme mit dem Umgang oder Sorgerecht gibt„ (1998, S. 168). Sie kritisieren ferner die tendenziöse deutsche Übertragung von Gardner, der „PAS„ als diagnostische Kategorie vorschlage und „wiederholt darauf verwiesen hat, daß die Diagnose PAS keineswegs verkürzt als Kriterium einer Sorgerechtsempfehlung taugt„ (ebd.). Sie werfen Kodjoe/Koeppel, die hier als Protagonisten der tendenziösen Übertragung auftreten, vor, entsprechende Hinweise und Differenzierungen von Gardner zu unterschlagen. Aus dieser Kritik von Salzgeber/Stadler wird deutlich, daß Kodjoe/Koeppel den Vorschlag von Gardner benutzen, um ihn als Instrument im Kampf gegen Mütter einzusetzen, die den Umgang des Kindsvaters für das Kind als schädlich betrachten. Daß entsprechende Bedenken von Müttern durchaus realistische Gründe haben können, wird hier grundsätzlich ausgeschlossen und den Müttern umgekehrt die Erziehungseignung abgesprochen (vgl. Pötz-Neuburger 1999, Salzgeber/Stadler 1998).
Offen gegen das Kindeswohl gerichtet erscheint die Argumentation der deutschen PAS-AnhängerInnen, wenn es um den Kindeswillen geht. Hier wird offenkundig, daß es bei der deutschen PAS-Übertragung nicht um das Kind geht, wenn Aussagen und Willensäußerungen des Kindes übergangen werden, ja sogar Fachkräfte dazu aufgerufen werden, diese zu mißachten, wenn sich in ihnen die Ablehnung eines Elternteils ausdrückt : „Oftmals erscheint es als die bequemste Lösung, dem Willen des Kindes nachzugeben, zumal er sich so überzeugend äußert. Damit lassen sich jedoch auch Richter, Sozialpädagogen und Sachverständige in das dysfunktionale System des programmierenden Elternteils einbinden... das gilt es mit geeigneten Maßnahmen zu verhindern. Ein gerichtlich angeordneter (und durchgesetzter) Umgang verschafft den Kindern die Nische, die sie brauchen: Sie müssen zum abgelehnten Elternteil gehen, sie verraten den geliebten Elternteil nicht“ (Kodjoe/Koeppel a.a.O., S. 21). Der gerichtlich angeordnete und durchgesetzte Umgang gegen den Willen des Kindes - in realen Fällen sogar eine Sorgerechtsübertragung auf den Vater - wird hier als die ultima ratio definiert und die Behauptung aufgestellt, mit diesem Weg seien gute Erfahrungen gemacht worden (vgl. ebd.), was nach Salzgeber/Stadler jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt: „...für den Erfolg einer diesbezüglichen Praxis ist bisher keine nennenswerte empirische Grundlage, geschweige denn Überprüfung bekannt“ (Salzgeber/Stadler 1998, S. 170).
PAS als „Keule„ gegen sexuellen Mißbrauchsvorwurf
Besonders problematisch stellt sich die Situation dar, sobald von der Mutter der Verdacht des sexuellen Mißbrauchs gegen den Kindsvater erhoben wird und sie den Umgang verweigert, um das Kind vor weiteren Schädigungen zu schützen. In solchen Fällen ist Müttern bereits tatsächlich das Sorgerecht entzogen und sind die Kinder dem Vater überlassen worden, wenn der Verdacht nicht eindeutig erhärtet werden konnte, die Mütter jedoch aufgrund von Äußerungen und Symptomen der Kinder von der Tatsache des Mißbrauchs ausgingen und an der Verweigerung des Umgangs festhielten (s.u.). Die Verweigerung wird hier als „Zeichen einer Erziehungsungeeignetheit“ (Pötz-Neuburger 1999, S. 151) der Mutter bewertet und eine berechtigte Sorge zum Schutz des Kindes ignoriert bzw. geleugnet. Dabei dürfte allgemein als bekannt vorausgesetzt werden können, daß es besonders schwer ist, innerfamilialen Mißbrauch nachzuweisen: „Der sexuelle Mißbrauch eines Kindes

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ist seiner Natur nach ein heimliches Delikt. Neutrale, an dem fraglichen Geschehen unbeteiligte Beobachter gibt es in der Regel nicht. Der einzige unmittelbare Zeuge ist das mutmaßliche Tatopfer“ (Urteil LG Mainz v. 21.7.97, in: Streit 1/99, S. 24). Die Urteilsbegründung zeigt hier auf, wie leicht es ist, das betroffene Kind für unglaubwürdig zu erklären: „Als einzige Beweismittel bleiben .. in der Regel die Angaben des mutmaßlichen Tatopfers. Dabei ... stoßen die Aufklärungsmöglichkeiten ... oft an natürliche Grenzen. Ein (Klein) Kind soll einen Vorgang, dessen Bedeutung es entweder gar nicht oder andeutungsweise verstanden hat, so schildern, daß Erwachsene (Juristen) ihn verstehen. Von ihm wird etwas erwartet, was viele Erwachsene nicht zu leisten vermögen, nämlich die schlüssige, strukturierte Schilderung komplexer Vorgänge. Kindliches Aussageverhalten macht es leicht, Zweifel am objektiven Wahrheitsgehalt zu äußern, auch wenn vernünftigerweise kein Zweifel geboten ist“ (ebd. S. 26).
Die Beweisnot, die als immanenter Bestandteil und Ergebnis der Täterstrategien bei sexuellem Mißbrauch an Kindern angesehen werden kann (vgl. Heiliger 2000), führte zur Behauptung des „Mißbrauchs mit dem Mißbrauch“ (vgl. Riedel-Breidenstein 1996) und angeblicher Häufung von „Falschbeschuldigungen“, wofür es keine empirische Basis gibt: „Immer wieder aufgestellte Behauptungen, im Zusammenhang mit familienrechtlichen Auseinandersetzungen erhobene Mißbrauchsvorwürfe seien in der überwiegenden Zahl der Fälle falsch, haben keine gesicherte Grundlage. Für die Bundesrepublik Deutschland gibt es bisher kein zuverlässiges Datenmaterial (Volbert 1995, S.55, 1995 a S.24)“ (Urteil a.a.O., S.27, vgl. auch Faller 1991, Thoeness e.a. 1992, Wakefield/Unterwager 1991). Busse,Steller und Volbert (2000) sind nun in einem Forschungsprojekt :„Sexueller Mißbrauchsverdacht in familienrechtlichen Verfahren„ der Frage gezielt nachgegangen, ob von einem „Massenphänomen der Falschbeschuldigung„ (ebd. S. gesprochen werden könne, wie immer wieder behauptet wird (vgl. Fegert 1995). Die AutorInnen führten eine Aktenauswertung familiengerichtlicher Verfahren an zwei Familiengerichten in Berlin durch. Aus drei Jahrgängen wurden die Fälle mit sexuellem Mißbrauchsvorwurf herausgefiltert und näher analysiert. Im Ergebnis zeigte sich, daß insgesamt in sehr wenigen Fällen, in ca. 3 Prozent, überhaupt dieser Vorwurf geäußert wurde: „Bei der Auswertung von 1352 Akten zur Frage der Umgangsregelung aus den Jahrgängen 1988, 1993 und 1995 befanden sich 45 (3,3%) Fälle, bei denen in irgendeiner Form ein sexueller Mißbrauchsverdacht zur Sprache kam. Eine Stichprobe von 1500 Sorgerechtsakten aus den drei genannten Jahrgängen erbrachte ebenfalls 45 (3%), die einen sexuellen Mißbrauchsvorwurf beinhalteten„ (ebd. S. 83). Die AutorInnen ziehen aus ihren Forschungsergebnissen die Schlußfolgerung, daß die Behauptung einer großen Häufigkeit von entsprechenden Vorwürfen nicht gerechtfertigt sei: „Aussagen sowohl in der Fachöffentlichkeit als auch in der Praxis über eine in den neunziger Jahren einsetzende drastische Zunahme familiengerichtlicher Verfahren, in denen der Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs erhoben wurde, können nach den vorliegenden Ergebnissen nicht gestützt werden... Dieses Ergebnis der Untersuchung steht in Übereinstimmung mit vergleichbaren Untersuchungen aus den USA, die ebenfalls die These einer erheblichen Zunahme von sexuellen Mißbrauchsvorwürfen in Familiengerichtsverfahren nicht bestätigen konnten (McIntosh&Prinz 1993, Thoennes&Tjaden 1990)„ (ebd., S. 84).
Die Untersuchung betont, daß in denjenigen Fällen, in denen der Verdacht geäußert wurde, auch dies in der Regel nur mit größter Vorsicht geschehen sei und oft im familienrechtlichen Verfahren gar nicht weiter verfolgt worden sei. Die Mehrzahl der Vorwürfe ließ sich erwartungsgemäß nicht nachweisen, was jedoch nicht den Gegenschluß der Falschbeschuldigung begründen kann. An den analysierten Gutachten wird von Busse, Steller und Volbert kritisiert, daß das methodische Vorgehen bei der Abklärung des Mißbrauchsvorwurfs erhebliche Mängel aufgewiesen hätte. Ferner kritisieren sie an den von ihnen durchgearbeiteten Verfahren, daß der Wille des Kindes oftmals keine oder nicht ausreichend Beachtung gefunden habe, „obwohl Literatur und Rechtsprechung davon ausgehen, daß eine sich am Kindeswohl orientierende Entscheidung nicht gegen den erkennbaren Willen des Kindes getroffen werden kann„ (S. 100).
Nach der Berliner Untersuchung kann auf jeden Fall die Behauptung häufiger Falschbeschuldigungen nicht mehr aufgestellt werden. Diese Behauptung hat mit großer Wahrscheinlichkeit zum Schutz von Tätern und zur Fortsetzung ihrer Mißbrauchsstrategien, zur Schutzlosigkeit des real betroffenen
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Kindes und sogar zur Auslieferung des Kindes an den unter Verdacht stehenden Vater geführt, der seine „Rechte am Kind“ gegen den erkennbaren Kindeswillen durchsetzte.
Beispiel einer „PAS„-Theorie im Gutachten
Die Durchsetzung des Umgangs oder auch der Wechsel im Sorgerecht z.B. im Kontext eines Verdachts auf sexuellen Mißbrauch wird in aller Regel vorbereitet und vorgeschlagen von Sachverständigen in familienrechtlichen Gutachten, was sich aus der Feder von PAS-AnhängerInnen z.B. folgendermaßen liest:
„Die Entstehung der Aussage des (4-jährigen)Kindes ist durch erhebliche suggestive Einflüsse überformt, nachdem bereits die von der Mutter geäußerten Anfangsverdachtsmomente auf eine einseitig-verzerrte Wahrnehmung der kindlichen Auffälligkeiten hinweisen.Festzuhalten ist, daß ... keine forensisch verwertbare Aussage über eine mögliche sexuelle Handlung des Vaters hervorbrachte. Ihre Angaben sind aus aussagepsychologischer Sicht wertlos, da sie weder detailliert noch inhaltlich eindeutig sind. Ein Verdacht des sexuellen Mißbrauchs des Kindes durch den Vater kann somit fachlich nicht erhärtet werden.... Die Kindesmutter ist derzeit nicht genügend in der Lage, in der Umgangsfrage die Interessen ihres Kindes bezüglich seines Vaters zu berücksichtigen, da sie die Vater-Kind-Beziehung vorwiegend unter dem Gesichtspunkt des sexuellen Mißbrauchs, von dem sie weiterhin überzeugt ist, wahrnimmt und bewertet...(Sie) ist nicht in der Lage, von ihrem Verdacht Abstand zu nehmen und umzudenken, etwa auf alternative Erklärungsmöglichkeiten für das kindliche Verhalten hin. Vielmehr werden von ihr weiterhin Äußerungen und Auffälligkeiten des Kindes so gedeutet, daß sie den Verdacht scheinbar bestätigen. Die Haltung der Kindesmutter in der Umgangsfrage erscheint auf Dauer für die Entwicklung des Kindes problematisch. Eine gelebte Beziehung zu ihrem Vater und die Möglichkeit realer Erfahrungen mit ihm ist aus psychologischer Sicht für ... äußerst wichtig, sowohl im Hinblick auf ihre Identitätsentwicklung als auch ihre spätere Beziehungsfähigkeit in einer Partnerschaft.... Sollte (die Kindesmutter zur Bejahung des Umgangs) nicht in der Lage sein, so ist, auch im Hinblick auf die Frage der Regelung der elterlichen Sorge, abzuwägen, wodurch dem Kind längerfristig größerer Schaden zugefügt wird“.
Zunächst wird alleinige elterliche Sorge der Mutter vorgeschlagen wegen der engen emotionalen Beziehung des Kindes zur Mutter, aber unter der Bedingung, daß die Mutter den Umgang des Kindes mit dem Vater fördere. Andernfalls schlägt sie die Erwägung einer Sorgerechtsänderung vor in der Annahme, sonst würden dem Kind schwerwiegende negative Folgen erwachsen:„Sollte jedoch ein Aufwachsen des Kindes bei der Mutter den Verlust der Beziehung zum Vater zur Folge haben,falls die Mutter zu einer Änderung ihrer Haltung nicht bereit ist, so sind die daraus erwachsenden negativen Folgen für die kindliche Entwicklung als schwerwiegend zu erachten. In diesem Falle sollte eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater ernstlich erwogen werden, da bei ihm für ... die Möglichkeit besteht, die Beziehung zu beiden Eltern aufrechtzuerhalten“2.
Das gesamte Gutachten in diesem Beispiel vermittelt den Eindruck, daß in den Gesprächen mit Kind und Eltern in hohem Maße mit Suggestionen, Unterstellungen und Behauptungen von seiten der Gutachterin gearbeitet wurde, was sie ihrerseits anderen Personen vorwirft. Sämtliche Fachkräfte, die einen sexuellen Mißbrauch des Kindes aufgrund der attestierten Befunde für möglich halten, werden hier als fragwürdig, unglaubwürdig und suggestiv bezeichnet, somit abgewertet und diskriminiert. Angst des Kindes vorm Vater wird ignoriert und mit offensichtlichen Tricks versucht, das Kind zu positiven Aussagen über den Vater zu bringen, während seine zahlreichen ablehnenden Äußerungen mißachtet werden. Alle Aussagen des Vaters werden positiv interpretiert, als wahrheitsgemäß bewertet und nicht überprüft. Selbst Salzgeber/Stadler kritisieren in ähnlichen Fällen die „sehr große Toleranz gegenüber unangemessenem Verhalten des Elternteils, bei dem das Kind nicht lebt, mit
4. Aus dem psycholog. Sachverständigengutachten Geschäfts-Nr. F25/96, S. 87-92
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gleichzeitiger Forderung nach Umgang auf jeden Fall, da die Beziehung zu diesem, in Form von gerichtlich angeordnetem Umgang, das wichtigste für das Kindeswohl sei“ (1998, S.169). Eine Kenntnis von Täterstrategien läßt dieses Gutachten gänzlich vermissen. Eine ideologisch geprägte Einstellung über die Wichtigkeit, ja Vorrangigkeit der Kind-Vater-Beziehung ist ablesbar. Die Aussagen des Kindes und sein geäußerter Wille werden als unglaubwürdig und übergehbar beurteilt. Die Verhinderung des Kontakts zum Vater wird als Schädigung des Kindes, aber der vollständige Entzug der Mutter, zu der eine enge positive Beziehung besteht und auch von der Gutachterin regisiriert wird, als vereinbar mit dem Kindeswohl dargestellt. Das Kind wurde in diesem Fall einige Zeit später tatsächlich dem Vater übergeben.
Suche nach Auswegen
In den meisten der Gutachten dieser „PAS„-AnhängerInnen wird die Beziehung des Kindes zum Vater als besonders wichtig, ihr Fehlen an sich - ohne Berücksichtigung der Qualität der Beziehung und selbst bei sexuellem Mißbrauch, wie zu sehen war - als entwicklungsschädigend dargestellt jeweils ohne einschlägige Nachweise in der Forschung. Der Mutter wird beim Vorwurf des sexuellen Miß-brauchs gegen den Vater Suggestion des Kindes vorgeworfen, während es forschungsmäßig bisher nicht nachzuweisen war, daß Kindern ein Erlebnis wie sexueller Mißbrauch eingeredet werden kann (vgl. LG Mainz a.a.O., Volbert/Pieters 1996, Ceci und Bruck 1993). Aus dieser Sachlage heraus wird im Urteil des LG Mainz die Schlußfolgerung gezogen, es läge möglicherweise eine Art Suggestionswahn vor: „Eine Auseinandersetzung mit der Forschungslage wirft die Frage auf, ob sich statt der häufig behaupteten Mißbrauchshysterie in Deutschland nicht in Wirklichkeit eine Suggestionshysterie entwickelt hat“ (LG Mainz a.a.O., S 29).
Angesichts des bekannten hohen Ausmaßes von Männergewalt gegen Frauen und Kinder in der Familie (vgl. Heiliger 2000b), gegen die das Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen vorgeht, liegt es auf der Hand, daß Kinder vor nicht wenigen Vätern zu schützen sind. Doch wird es im Gegenteil Müttern verstärkt nach dem Inkrafttreten des neuen Kindschaftsrechts nahezu unmöglich gemacht, ihren Kindern diesen Schutz zu geben. Sie werden oftmals gezwungen, selbst polizei- und justizbekannten Schlägern ihre Kinder auszuliefern und die absurde Meinung, ein Vater, der das Kind sexuell mißbraucht habe, sei dennoch als Vater für das Kind wertvoll, wird allen Ernstes in familienrechtlichen Gutachten vertreten3. Mütter suchen daher verzweifelt nach Möglichkeiten, Hilfe zum Schutz ihres Kindes zu erlangen und eine politische Lösung der gegenwärtigen Situation anzustoßen.
Literatur:
Arbeitskreis Berliner psychologischer Sachverständiger in Familiensachen: Umgangsrecht und sexueller Mißbrauch. Vortrag gehalten in Dresden am 20.9.91 anläßlich
Busse, Detlef/Max Steller/Renate Volbert: „Sexueller Mißbrauchsverdacht in familienrechtlichen Verfahren„, Abschlußbericht zum Forschungsprojekt des Instituts für Forensische Psychiatrie der FUBerlin vom März 2000.
Chesler, Phyllis: Mothers on Trial. The Battle for Children and Custody, New York 1986
Emmerl, Dorothea: Sind Söhne ohne Väter verloren?
Untersuchung der Lebenssituation alleinerziehender Frauen am Beispiel eines sozialpädagogischen „Präventionsprojektes„ im ländlichen Raum, Diplomarbeit an der Kathol. Stiftungsfachhochschule München, 2000
Fastie, Friesa: Zeuginnen der Anklage. Die Situation sexuell mißbrauchter Mädchen und junger Frauen vor Gericht, Berlin 1994
Fegert, Jörg M.: Kinderpsychiatrische Begutachtung und die Debatte um den Missbrauch mit dem
3 vgl.Gutachten zu den Geschäftsnummern: 3 F 568/95, 513 F 2160/96 und „Arbeitskreis...„1991
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Missbrauch, in: Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie 1995.
Fegert, Jörg M.: Psychische Folgen von sexuellem Missbrauch und ihre Bedeutung im familiengerichtlichen und vormundschaftsgerichtlichenVerfahren. In: Wodtke-Werner a,a,O., S.41-68
Fischer, Wera: The Parental Alienation Syndrome (PAS) und die Interessenvertretung des Kindes, in: NDV 10/98, S. 306-310
Gardner, Richard A.: The Parantal Alienation Syndrome, New Jersey 1992
Heiliger, Anita: Alleinerziehen als Befreiung. Mutter-Kind-Familien als positive Sozialisationsform und als gesellschaftliche Chance, Pfaffenweiler 1991
Heiliger, Anita: Zur Problematik einer Konzeption nachehelicher gemeinsamer elterlicher Sorge als Regelfall im Kontext einer geplanten Reform des Kindschaftsrechts, in: FamRZ 9/92, S. 1006 - 1011
Heiliger, Anita: Täterstrategien und Prävention. Sexueller Mißbrauch an Mädchen innerhalb familialer und familienähnlicher Strukturen, München 2000
Heiliger, Anita: Männergewalt gegen Frauen beenden. Strategien und Handlungsansätze -am Beispiel der Münchner Kampagne gegen Männergewalt an Frauen und Mädchen/Jungen, Opladen 2000.
Jakob, Peter: Optimierung der Hilfe durch Einzelfallkooperation der Hilfen bei sexueller Gewalt an Kindern, in: Heusohn, Lothar/Ulrich Klemm (Hg.): Sexuelle Gewalt gegen Kinder, Ulm 1998, S. 100-118
Kirchhoff, Sabine: Sexueller Mißbrauch vor Gericht, Opladen 1994
Kodjoe, Ursula/Peter Koeppel: The Parental Alienation Syndrome, in: Der Amtsvormund 1/98, S. 9-28
Pötz-Neuburger, Susanne: Ein Jahr Sorgerechtsreform: Entwicklungen und Erfahrungen, in: Streit 4/99, S.147-152
Riedel-Breidenstein, Dagmar: Missbrauch des Missbrauchs - was bedeutet diese öffentliche Auseinandersetzung? In: Strohhalm e.V. (Hg.): Auf dem Weg zur Prävention, Berlin, 1996, S. 183-190.
Roth, Gabriele: Zwischen Täterschutz, Ohnmacht und Parteilichkeit. Zum institutionellen Umgang mit „sexuellem Mißbrauch“, Bielefeld 1997
Salzgeber,Joseph/Michael Stadler: Beziehung contra Erziehung - kritische Anmerkungen zur aktuellen Rezeption von PAS, in: Kind-Prax 6/98, S. 167-171
Thoennes, Nancy/Patricia G. Tjaden: The Extent, Nature and Validity of Sexual Abuse Allegations in Custody Visitation Disputes, in: Child abuse and neglect 1992
Wakefield, H./R. Unterwager: Sexual Abuse Allegation in Divorce and Custody Disputes, in: Behavioral Science and the Law, Vol.9/1991
Ward, Peggie/J. Campbell Harvey: Family Wars: The Alienation of Children, Pace Custody Newsletter 9/1993
Wodtke-Werner, Verena (Hg.): Alles nochmal durchleben. Das Recht und die (sexuelle) Gewalt gegen Kinder, Baden-Baden 1997.
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