Väter nach Trennung oder Scheidung - Neue Untersuchungen

Eine Trennung oder Scheidung kann sich nachteilig auf die gesamte Lebenssituation des Betroffenen auswirken. So berichten fast drei Viertel (71 Prozent) der befragten Männer von Beeinträchtigungen in ihrem Berufsleben - also dem Lebensbereich, der unverändert im Mittelpunkt von männlicher Sinnstiftung und Selbstwertgefühl steht. Viele der Männer sind an ihrer Arbeit nicht mehr interessiert (37 Prozent), andere stürzen sich dagegen ins Berufsleben (33 Prozent). Auch ein Wechsel des Arbeitsplatzes (20 Prozent) oder die Kündigung durch den Arbeitgeber (11 Prozent) werden als häufige Konsequenzen der veränderten privaten Situation genannt. Dabei hat die Studie ergeben, dass Väter mit niedrigem Bildungsabschluss zu der Gruppe zählen, die von Kündigung am meisten bedroht ist. "Oder anders ausgedrückt: Je höher das Bildungsniveau, um so eher sind die Männer in der Lage, die Nachscheidungsprobleme in den Griff zu bekommen", so Professor Gerhard Amendt.

 

Noch mehr, nämlich 76 Prozent der Männer, geben Auswirkungen auf ihre Gesundheit an, darunter vorübergehende psychische (41 Prozent) und körperliche (12 Prozent) Beschwerden. Es können jedoch auch andauernde seelische (34 Prozent) oder physische Leiden (9 Prozent) auftreten. Dabei hat sich gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Leistungsfähigkeit der erwerbstätigen Väter und ihrer privat erlebten psychischen Belastung besteht: Männer, die von ständigen emotionalen Belastungen berichten, neigen zu Desinteresse am Beruf. Solche Vertreter des "starken Geschlechts" hingegen, die von der Scheidung bzw. Trennung vorübergehend seelisch und körperlich beeinträchtigt werden, stürzen sich meistens in die Arbeit.

 

Die gesundheitlichen Beschwerden, so ein weiteres Untersuchungsergebnis, sind eher von vorübergehender Art, wenn "Scheidungsväter" ein häufiges Umgangsrecht mit ihren Kindern haben. Andererseits kann eine Vaterschaft nach der Trennung auch eine besondere Belastung darstellen. "Bei vielen Männern", berichtet Amendt, "wird das Gefühl zerstört, in einem Familiengefüge emotional eingebettet und als Vater anerkannt zu sein." Immer mehr Männer kämpfen darum, dass ihnen nach Trennung oder Scheidung die Vaterschaft nicht abhanden kommt. Doch diese Bemühungen sind nicht immer erfolgreich, und ihre Anstrengungen überfordern viele der Betroffenen.

Die Resultate der Studie veranlassen den Sozialwissenschaftler Amendt auch dazu, notwendige Perspektiven für eine moderne Familienpolitik zu skizzieren: "Familienpolitik darf Männer nicht nur als Leistungsträger sehen. Sie muss Männer auch mit ihren Problemen wahrnehmen und für qualifizierte Unterstützung sorgen."

 

Weitere Informationen:
Universität Bremen Institut für Geschlechter- und Generationenforschung
Prof. Dr. Gerhard Amendt
Tel: 0421 / 218-8298 oder -2131 oder 00 43 17 130792
eMail: amendt@uni-bremen.de

Pressemitteilung Nr. 101 / 7. Mai 2002 RO http://www.uni-bremen.de/campus/campuspress/altpress/02-100.php3

Scheidung: Wer sozial schwach ist, sieht sein Kind nicht - Bremer Wissenschaftler befragten 3800 Scheidungsväter nach ihren Erfahrungen

Im neuen Scheidungsfilm "Väter" von Dani Levy kämpft Vater Marco darum, seinen Sohn auch nach Trennung und eigenem Fehlverhalten zu sehen - im Kino letztlich mit Erfolg. Doch im realen Leben steht es um die Rechte der Scheidungsväter eher schlecht. Die Hälfte von Ihnen hat nach Trennung oder Scheidung wenig bis gar keinen Kontakt zu den Kindern. Gerade Männer mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Einkommen verlieren die Beziehung zu den Kindern. Diese Ergebnisse gehen aus einer groß angelegten Studie der Bremer Universität über Väterlichkeitserfahrungen nach Trennung oder Scheidung hervor. Das Forschungsteam unter Leitung des Sozialwissenschaftlers Professor Gerhard Amendt vom Institut für Geschlechter- und Generationsforschung im Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften hat in einer groß angelegten Untersuchung mehr als 3800 Männer über Internet zu ihrer Situation nach der Trennungsphase befragt - wissenschaftlich weitgehend Neuland, da bisher vor allem die Scheidungserfahrungen von Kindern und Müttern im Forschungsmittelpunkt standen. Scheidungsväter werden in Wissenschaft und Gesellschaft als Randfiguren wahrgenommen.

 

Die Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind bei ihrer Untersuchung zu aufschlussreichen Ergebnissen gelangt. So wollten ursprünglich 85 Prozent der Männer bei der Sorgerechtsregelung das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder. Nach der Trennungsphase haben allerdings nur noch 52 Prozent der Väter häufigen, 17,8 Prozent weniger häufigen bis selten Kontakt und 30,2 Prozent gar keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern. Selbst Väter, die ihre Kindern häufig sehen, fühlen sich zu etwa zwei Dritteln von wichtigen Entscheidungen im Leben ihrer Kinder ausgeschlossen. Zwei wesentliche Aspekte sind ausschlaggebend dafür, dass die Lebensgestaltung der Kinder weitgehend ohne ihre Väter stattfindet: Zum einen spielt die soziale Lebenslage der Männer nach der Trennung eine gewichtige Rolle. Zum anderen hängt vieles davon ab, ob die Getrennten fähig und willens sind, auch nach Trennung oder Scheidung noch miteinander im Gespräch zu bleiben.

 

Die Studie belegt deutlich: Männer in niedrigen Einkommens- und Bildungsverhältnissen laufen am ehesten Gefahr, den Kontakt zu ihren Kindern zu verlieren. Männer, die über ein relativ hohes Einkommen und eine höhere Bildung verfügen, berichten eher über häufige Kontakte zu ihren Kindern. Stark eingeschränkte soziale und finanzielle Möglichkeiten kombiniert mit der psychischen Ausnahmesituation der Trennung verschärfen dagegen die Lebenslage dieser Väter. Bei ihnen kann deshalb das gesamte Gefühlsleben so sehr unter den Einfluss der Trennungskrise geraten, dass ihre Handlungsfähigkeit zeitweise eingeschränkt wird. Sie sind dann auch nicht mehr in der Lage, Hilfsangebote zu nutzen, die auf Kommunikation beruhen. Dazu gehören Beratung, Psychotherapie oder auch Unterstützung von Freunden. Bezeichnend für diese Männer ist, dass sie sich in der Trennungssituation machtlos fühlen, und zwar sehr viel häufiger als andere Männer Die Trennungssituation weitet sich dann zu einer existenziellen Bedrohung aus - ein Teufelskreis, der zu Isolation, Einsamkeit und mitunter Suchtverhalten führt.

 

Die Befragung hat gezeigt, dass es den Männern, die die Verantwortung für ihren Teil an der Trennung oder Scheidung mit übernehmen, viel leichter fällt, auch eine gestaltende Haltung während der Trennungsphase zu beziehen. Die Gefahr für Männer in der Trennungsphase in eine passive Position zu geraten, scheint allgemein jedoch groß zu sein. Denn über die Hälfte der Befragten gaben an, sich in den Konflikten mit der Frau eher machtlos zu fühlen. Und sie meinten deshalb auch, nichts tun zu können.

Ob Männer eher gestalterisch oder eher passiv die Trennung durchlaufen, zeigt sich auch daran, ob sie die Kinder über die bevorstehende Scheidung informieren oder ob sie diese unangenehme "Nachricht" lieber der Mutter überlassen. Männer, die den Trennungswunsch aktiv mitgetragen haben, waren auch häufiger daran beteiligt, ihren Kindern die bevorstehende Scheidung mitzuteilen. Männer, die die Scheidung nicht wollten, haben sich nicht daran beteiligt, den Kindern den schweren Schritt mitzuteilen. Wo die Männer gemeinsam mit ihren Partnerinnen den Kindern sich gegenüber verantwortlich fühlen, leiten sie bereits eine gemeinsame Elterlichkeit trotz des Verlustes der Liebesbeziehung ein - für die Kinder ein wichtiges positives Zeichen.

Wenn dies wirklich gelingt, dann können die Getrennten auch weiterhin als Elternpaar mit den Kindern selbst in schwerer Zeit miteinander reden. Und es zeigt sich, dass überdurchschnittlich viele Männer, die die gemeinsame Elterlichkeit aufrecht erhalten, auch über häufigen Kontakt zu ihren Kindern berichten und dass sie weiterhin wichtig und verantwortlich für die Erziehung ihres Kindes bleiben. Das wollen nach den empirischen Daten der Bremer Untersuchung die meisten Männer.

 

Weitere Informationen:

Universität Bremen Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften
Institut für Geschlechter- und Generationenforschung
Prof. Dr. Gerhard Amendt
Tel. 0043-1-7130792 Email: IGG@uni-bremen.de

Pressemitteilung Nr. 209 / 30. September 2002 SC
http://www.uni-bremen.de/campus/campuspress/unipress/02-209.php3

Newsletter 3, Nr. 123 / 3. Juni 2002 SC

Bremer Studie: Männer suchen Hilfen in Scheidungsphasen. Sozialwissenschaftler Prof. Gerhard Amendt betont Bedeutung der Vätervereine

Scheiden tut weh - manchmal im wortwörtlichen Sinne. Bei Scheidungen und Trennungen von Paaren kommt es auf dem Höhepunkt der Zerrüttungsphase sehr häufig zu Handgreiflichkeiten. Diese Gewalttätigkeiten gehen keineswegs vorrangig von den Männern aus, beide Partner sind zu gleichen Teilen daran beteiligt. Dies ist ein weiteres Ergebnis der Studie über Scheidungsväter, die Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler unter der Leitung von Professor Gerhard Amendt vom Institut für Geschlechter- und Generationenforschung im Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften der Universität Bremen durchführen. Neu auch die Erkenntnis: Scheidungsväter suchen im Verlauf der Scheidung oder Trennung in überraschend großer Zahl Hilfe. Die Erfahrungen, die Väter im Verlauf einer Trennung oder Scheidung machen, werden von 71% der Befragten als so überwältigend empfunden, dass sie sich sowohl im privaten als auch im professionellen Bereich nach Hilfsangeboten umsehen.

 

Dies ist ein weiteres Ergebnis der explorativen Internetbefragung über Scheidungsväter: Während der Trennungsphase suchen 90,4% der insgesamt 2100 befragten Männer Gespräche im Freundes und Bekanntenkreis, um die Probleme ihrer Trennungskrise zu besprechen. Zwei Drittel der Befragten suchen während der Trennungsphase professionelle Hilfe auf. Es ist anzunehmen, dass viele Männer wegen der Trennungskrise zum ersten Mal in ihrem Leben Erfahrungen mit Hilfeangeboten im psychosozialen Bereich machen. Bei der Wahl der Hilfeform sticht ins Auge, dass 29,3% einen Psychotherapeuten oder Psychologen aufsuchen. Damit rangiert die psychologische Unterstützung sogar noch vor der juristischen durch Rechtsanwälte mit 25,9%. Daneben gehören Familienberatungsstellen (16,6%), Jugendämter (12,4%) und Vätervereine (8,1%) zu den am häufigsten genutzten Formen professioneller Hilfe.

Ein interessantes Detailergebnis der Bremer Studie: Die Frage nach einer Mitgliedschaft in einem Väterverein bejahten 18% der Befragten. Dies weist darauf hin, dass der Väterverein erst im weiteren Verlauf der Trennung als Hilfeform gewählt wurde. Es scheint so zu sein, dass unbefriedigende Erfahrungen mit anderen Hilfsangeboten wie dem Jugendamt aber auch mit schwierigen Sorgerechtsverfahren bei einem nicht unerheblichen Teil der Männer in einer Mitgliedschaft eines Vätervereins münden. Die Vätervereine sind eine neue Form von Selbsthilfeorganisation. Sie etablieren sich damit zunehmend als hoch relevante Hilfeform besonders für Männer. Allerdings erfahren die Vätervereine bisher so gut wie keine öffentliche Unterstützung, obwohl man von einer bundesweiten Gründungswelle sprechen kann.

 

Wofür suchen die Männer nach Hilfe? Die Lebenssituation nach Trennung und Scheidung bestimmt ihre Suche. Mündet die Trennung oder Scheidung nicht nur in einer psychischen, sondern auch in einer materiellen Krise, dann wenden sich die Männer eher an staatliche Einrichtungen oder an Juristen. Dabei zeigt sich, dass Männer mit gehobenerem Bildungsniveau und höherem Einkommen es offensichtlich leichter haben, sich individuell therapeutisch unterstützen zu lassen. Je erdrückender die materielle und soziale Lage allerdings nach einer Scheidung gesehen wird, desto weniger wird eine Unterstützung gewählt, die hilft, die Erfahrungen als Teil der gesamten Lebensgeschichte zu integrieren. Die existenzielle Krise lässt die Männer eher nach pragmatischen und lebensbegleitenden Hilfen suchen. Sie erhoffen sich dabei Unterstützung bei der Bewältigung ihrer praktischen Probleme in einer plötzlich veränderten Vaterrolle und bei der Auseinandersetzung mit Jugendämtern Rechtsanwälten und Familiengerichten. Die Vätervereine stellen gerade für diese Männer eine attraktive Form der Hilfe dar, die an alte Traditionen der Solidarität anschließt.

 

Professor Gerhardt Amendt vom Institut für Geschlechter- und Generationenforschung empfiehlt, "Vätervereine zu fördern und daß Familienpolitik Männer nicht nur als Leistungsträger sehen sollte, sondern sie auch mit ihren Problemen wahrnimmt und für qualifizierte Unterstützung sorgt."

 

Weitere Informationen:
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